Dran bleiben!

Afghanistan sah so schön aus früher.
Hast du die Bilder gesehen? Hat so ein Amerikaner geschossen wohl in den Sixties. Da haben die Frauen dort Miniröcke getragen?

Wahnsinn, hätt ich ja nie gedacht. Im Iran übrigens auch – mußte dir mal Bilder ansehen von damals, echt unglaublich.

Und in der Türkei auch. Unglaublich. Die sehen auch richtig nett aus die Leute auf den Fotos. Da denk ich mir fast, wie’s wohl wäre, wenn jetzt damals wäre und man dort Urlaub machen könnte?

Sogar in Tunesien, Marokko und Algerien sahen die Menschen viel fortschrittlicher und glücklicher aus, als jetzt.

Es gibt sogar Fotos von der Bin Laden Familie im Urlaub in Schweden oder so. Ja, die Familie von Osama Bin Laden. Alle sehen so fortschrittlich aus.

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Fort
Schritt
Fort
Schritt
Fort
Schritt

Und jetzt? Jetzt sind sie fortgeschritten.

Wohin sind die fortgeschritten? Ja, aber die sind ja ganz weit fortgeschritten von uns?
Und warum?
Wir sind doch so schön?

Ja ja deine Nation!

Bist du stolz auf deine Nation? Wie armselig bist du denn? Hallo! Deine Nation ist irrelevant. Auf jeden Fall irrelevanter als deine Nationalmannschaft. Ich weiss, das war mal anders. Aber die Zeiten sind schon lange vorbei…leider. Jetzt lässt sich die Bundeskanzlerin von sonem dahergelaufenen Erdogan an der Nase rumführen.
Naja. Fakt ist, dass heutzutage sogar der Irak nationale Grenzen besitzt. Ja, der Irak ist eine Nation mit Nationalfahne und Nationalhymne!
Ich finde ja: je mehr gerade Linien und rechte Winkel den Verlauf der Grenzen eines Landes prägen, desto interessanter die Entstehungsgeschichte. Da tauchen dann so Gestalten auf wie: Gertrude Bell, T. C. Lawrence, Mark Sykes, François Georges-Picot, Max von Oppenheim etc. Dann liest man sich so ein bisschen ein und muss sich schon wundern über diese Typen da im Nahen Osten. Was wollen die eigentlich?
The West rules! Und das war schon immer so. Das sollten die endlich mal einsehen. Wir haben deren Grenzen gezogen, sie in Kriege verwickelt und ihre Nationalökonomien in Abhängigkeiten gebracht. Wir haben die nach Strich und Faden ausgenommen. Das ist harte Arbeit.
Und was machen die jetzt, wo wir gerade mal unsere wohlverdiente Ruhe genießen wollen? Die hauen jetzt einfach dort ab und meinen, sie könnten mitsamt ihrer lausigen Kultur einfach hierherkommen, Parties feiern mit so schrecklichen Namen wie „Eksotik Meksotik„, wo Raki und Ouzo in Strömen fliessen. Dann bringen sie auch noch leckere selbstgemachte Vorspeisen mit, spielen ihre Musik live und tolle Dj’s gibt’s da auch noch. Aber vor allem diese Musik! Schlimm. Echt Schlimm. Da kommt man ja nie zur Ruhe!
Und die posten das auch noch auf Facebook. Schaut euch das mal an. Denen geht’s richtig gut: https://www.facebook.com/events/840467762731409/?active_tab=posts

Serie: Widerstand – 1. Otpor, oder der Ausverkauf

Ich hatte ja schon vor langem damit gerechnet, dass Basheer Al Assad so endet wie Muammar al Ghaddafi. Aber er hat gut durchgehalten, auch dank dem entschiedenen Einsatz von Wladimir Putin. Andere Regimes hatten zwar auch eine lange Dauer, aber sie haben den arabischen Frühling dann doch nicht überstehen können.

otpor__logo

Das Logo des globalen Widerstands, designed and promoted by „Otpor“

Der arabische Frühling. Er kam so verheissungsvoll daher, hat sich dann aber doch als ganz fauler Marketingtrick entpuppt. Ich meine, wenn man sich mal ansieht, was daraus im Grossen und Ganzen geworden ist: ein globales Kriegsszenario, dass alles andere gefördert hat, als die Verbreitung von Freiheit, Gleichberechtigung, Demokratie, etc..
Oh Oh! Da tauchen wieder Verschwörungstheorien im Halbdunkel meines Bewusstseins auf und tänzeln hinter einem gräulichen Schleier, der ihr klares Hervortreten verhindert und den man wohl benötigt, um sich auf seinen Alltag als Otto-Normalverbraucher konzentrieren zu können.

So ganz zusammenhangslos las ich letztens einen Artikel von Jonathan Fischer über die Infiltrierung der kritischen kubanischen Hip Hop-Szene durch eine staatliche US-Agentur (Usaid: U.S. Agency for International Development), die sich dazu serbischer Promoter bediente, um eine Revolution auf der Karibikinsel auszulösen:
https://jonathanfischer.wordpress.com/2016/02/23/ausgerechnet-amerika-wie-man-eine-jugendrevolte-erledigt-die-kubanische-hip-hop-szene-lebte-von-der-kritik-am-greisen-castro-regime-dann-wurde-sie-von-us-behoerden-unterwandert-das-konnte-sie-nic-2/
Das Geschah in den Jahren 2009-2010. Zur Finanzierung wurde anscheinend verdecktes Kapital auf panamaischen Konten genutzt. Künstler wurden zu Kulturaustauschprogrammen nach Europa eingeladen, etc. etc..
Die Folge war: der kubanische Machtapparat bemerkte das Erstarken der kritischen Jugend und versuchte sich diesem Energieschub zu bemächtigen, indem es den Hip Hop auf der einen Seite institutionalisierte und gleichzeitig den Raggaton forcierte (eine vor ca. 15 Jahren entstandene Musikrichtung, die elektronische Beats und karibische Rhythmen mischt und sich inhaltlich eindeutig  auf geschlechtsspezifische Themen fokussiert. Die Musikvideos beziehen sich deswegen auch auf üppig dimensionierte weibliche Körperteile in eindrucksvollen komplexen Bewegungsabläufen.
Die Paar unbeeinflussbaren kritischen Rapper wurden somit ihrem Klientel beraubt, der somit dem drögen Kommerz zugeführt wurde. Die Amis kamen nicht auf ihre Kosten, denn die Revolution blieb aus und das Unterwanderungsprojekt somit eine reine Fehlinvestition.
Leidtragende in erster Linie blieben die lokalen Rapper mit ihrer politisch soliden Haltung. Das sonderbare an der ganzen Geschichte ist aber die Tatsache, dass all diese Machenschaften erst vor einem Jahr aufgedeckt wurden, im Zuge der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen beider Länder. Die genannte Handvoll Künstler, die von Anfang an skeptisch gewesen waren und sich immer distanziert haben von den Hype um ihre Musik berichten nun, dass die Amerikaner wohl „eine Sache“ Grundlegend falsch verstanden haben: die Kritik gegen Castro gewann ihre Kraft nicht aus der antisozialistischen Perspektive, sondern genau aus der gegenläufigen Bewegung: die Rapper hielten sich für die besseren Revolutionäre!

Alles schön und gut! Nichts, als ein Beispiel der Zerstörung einer weiteren jungen Musikkultur? Ja – unter anderem.

Was mich aber tatsächlich sogar noch mehr interessiert und auch ein wenig erschreckt in diesem Zusammenhang, ist das Auftauchen des Begriffspaares „Serbische Promoter“.

Denn da fällt mir natürlich mal direkt „Otpor“ ein – das serbische Kreativbüro für weltweite Aufstände – und ihr Frontman „Srdja Popovic“, der ja bekanntlich seine Strategien für eine erfolgreiche gewaltfreie Jugendrevolte (nach Modell des Widerstands in Belgrad während des Jugoslawienkriegs) lukrativ zu vermarkten wusste und auch nicht davor zurückschreckte, mit amerikanischen privaten Security-Firmen zu kooperieren.

Hier zwei interessante Links dazu:

http://www.occupy.com/article/exposed-globally-renowned-activist-collaborated-intelligence-firm-stratfor

www.theguardian.com/world/2015/mar/08/srdja-popovic-revolution-serbian-activist-protest

Und hier die äussert populäre und besonders in den Nordafrikanischen Staaten sehr beliebte Publikation Popovic’s:

http://www.blueprintforrevolution.com/

Vielleicht wäre das ja eine Investigation Wert, lieber Jonathan Fischer?

The Sultans of Neoliberalism

Es ist schon ein Luxus, an der Strandpromenade von Pendik richtung Kadiköy auf der anatolischen Seite des Bosporus entlangfahrend alte Hits aus den 70ern im Autoradio zu hören. Vorrausgesetzt der Verkehr fließt, natürlich. Zwischendurch fällt dir das Verkehrschaos immer wieder auf, doch der Blick in die untergehende Sonne gibt dir immer wieder das Gefühl des Menschseins zurück. Doch! Diese Stadt hat immer noch eine Idylle bewahrt, die man zwar meist nur aus der Ferne genießen kann, aber sie hat sie noch. Mindestens eine.

Männer und Frauen überaus sinnlich in ihrer patriarchalen Unsinnlichkeit und in ihrem Unsinn, verstrickt in ihre Kreditkarten und im Verlust ihrer Wahrhaftigkeit, billig verkauft an stillose Stilverkäufer, die ihnen die letzten Groschen von ihren digitalen Konten kehren.

Allesamt vergessen sie sich und die Geschichte, die Steine, die Erde, auf der sie leben. In ihrer verzweifelten und unbewußten Sehnsucht huldigen sie den letzen Überbleibseln einer oberflächlich geliebten reichen Welt, die sie über die Jahrzehnte eigenhändig zertrümmert haben. Und diese letzten Überbleibsel hängen am Schnurbart eines verblassenden Nationalhelden, der heldenhaft und despotisch in die Ferne blickt mit seinen stechend blauen Augen.

Die Frauen sind vezweifelt still, fleissig, immer auf den Beinen, ruhelos, schlaflos, sorgend. Die Männer sitzen verhungernd in ihren Luxusanzügen, Luxussuiten, Luxuslimusinen, die Augen weit aufgerissen, laut die Stimmen, immerzu die universelle Gerechtigkeit einfordernd, die unsichtbar und fiktiv an ihren aufgerichteten Schwänzen hängt.

In all dieser Verzweiflung gedeiht ein Humor, der seinesgleichen sucht. Es wird ständig gelacht und gelacht. Es gibt Geschichten, es gibt gute Musik, es gibt gutes Gemüse, es gibt Güte, es gibt einen haufen Emotionen, es gibt den Arabesk und es gibt eine hinter den Prinzeninseln untergehende kugelrunde glutrote Sonne und das Meer voller zappelnder Fische: Istavrit, Cinekop, Lüfer, Palamut, Mezgit, Kalkan. Es gibt salziges Meerwasser, das einem an den Lippen klebt und nach Algen riecht, bei windigem Morgenwetter. Es gibt Menschen, die jeden Tag nach dir fragen, wenn sie dich ins Herz schließen. Es gibt, es gibt und es gibt.

Ganz weit im Hintergrund lauern die totgeglaubten osmanischen Sultane. Die wollen auch wieder unter die Sonne der Gegenwart. Die wiederum tobt in der Grenzregion zu Syrien in Städten wie Diyarbakir, Cizre, Silopi, Hakkari, um nur einige zu nennen. Die Sultane verhängen Ausgangssperren und bomben ihren Hass in diese Städte, zertrümmern historische Gemäuer, Wohnhäuser, töten Kinder, Frauen, Greise und nennen sie Terroristen, schicken die Lehrer und Lehrerinnen in den Urlaub, um die Schulen zu Munitionslagern umzufunktionieren. Der Tod lauert nun dort, wo einst die fruchtbare Kultur aus dem Zweistromland nach Westen strömte. Jetzt wird dort das menschliche Gewissen ermordet. Wieder einmal.

Bin ich frei?

Bin ich überhaupt legitimiert dazu, diese Frage glaubwürdig zu beantworten? Ich denke, dass ich gerade mal in der Lage bin, zu mutmaßen. Das will ich hiermit tun:

– Ist man frei, wenn man Menschen, die man aufgrund ihres Aussehens, oder ihrer Herkunft als störend empfindet, einfach beseitigen kann, ohne große Konsequenzen zu befürchten und mit Tatkräftiger Unterstützung vom Inlandsgeheimdienst, einem breiten Netzwerk an Freunden, gleichgesinnten, Polizisten und Politikern?

– Ist man frei, wenn man an einen „freien Markt“ glaubt, dessen wichtigster Grundsatz es ist, dass er sich durch Angebot und Nachfrage selber regelt? Oder ist man erst frei, wenn man selbst zu den Wenigen gehört, die ebendiesen Markt ganz offen zu ihrem Gunsten regulieren und den Rest der Welt mit Ansage gröbst verarschen?

– Sind die Gedanken frei?

– Bedeutet es Freiheit, wenn man die Macht und die Unverfrorenheit besaß, die Taliban als Kampftruppe gegen die Russen in Afghanistan zu erschaffen und jetzt auch noch die Dreistigkeit besitzt, dies vor Millionen von Menschen als Argument zur weiteren Bewaffnung zu nutzen?

– Ist man frei, wenn man Macht besitzt?

– Ist man frei, wenn man schwierige Fragen ignoriert, solange man es sich leisten kann, sie zu ignorieren?

– Ist man immer noch frei, wenn man es sich zumindest leisten kann, sich darüber zu empören, dass man es sich nicht mehr leisten kann, schwierige Fragen zu ignorieren?

– Ist man frei, wenn einem egal ist, dass der Goucho-Tanz von der Deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaftsfeier vor dem Brandenburger Tor zur Melodie von „zehn kleine Negerlein“ getanzt wurde – nur mit einem noch viel bescheuerteren Text?

– Ist man frei, wenn man die Freiheit besitzt, sich selbst als frei zu bezeichnen, oder ist man eher dann frei, wenn es einem ausreicht, davon überzeugt zu sein, eben diese Freiheit zu besitzen?

– Ist man frei, wenn man davon ausgeht, die Freiheit als festen Bestandteil seiner Normen und Werte zu betrachten?

– Ist man frei, wenn man nicht in der Lage ist, Edward Snowden Asyl zu gewähren?

– Ist Freiheit ein reiner Rechtsbegriff, oder ein Gefühl?

– Ist Freiheit geil?

– Ist Freiheit wirklich so dringend Notwendig, wie es so viele Nationalhymnen und Verfassungstexte behaupten?

– Ist Freiheit Gott?

– Ist Freiheit gottgewollt?

– Ist Gott frei?

– Zeugt es von Freiheit, wenn man die Zerstörung von mesopotamischem Kulturgut durch radikale Moslems als Legitimation nutzt, die Frage nach ihrer genetischen Beschaffenheit wiederholt auf den Tisch zu bringen?

– Wie frei kann man denn sein, wenn man sich selbst in der Tradition der Aufklärung sieht und gleichzeitig an die Existenz von Rassen glaubt, ja diese sogar mit Hilfe der Genetik erklären will?

– Ist Freiheit käuflich und wenn ja: wie teuer kann sie werden?

– Ist Freiheit ein materieller Wert?

– War die Freiheit jemals ein ideeller Wert?

– Schulde ich jemandem Freiheit?

Veröffentlícht im Juni 2015 im Gaudiblatt Nr. 21
http://issuu.com/84ghz/docs/gaudiblatt-21/1?e=1387353/12808314

Parallelgesellschaft

Die größte und mitunter auch gefährlichste Parallelgesellschaft ist die Mehrheitsgesellschaft. Das ist überall so! Das schlimmste Problemviertel eines Landes ist meist das Regierungsviertel. Zur Problematik wird eine Problematik erst, wenn sie im Diskurs dezidiert als eine solche benannt wird und diejenigen, die seitens der Masse der „Unproblematischen“ als Urheber der Problematik in den Raum gestellt werden, besagte Urheberschaft sich auch noch aufbürden lassen, obwohl sie diese im innersten Inneren als äußerst fragwürdig und auch unberechtigt empfinden.

Krieg ist…

Krieg ist, wenn du mit dem SUV während der Rush Hour durchs Glockenbachviertel in München fährst und dich über die Fahrradfahrer beschwerst, die dir entgegenkommen, während du hinter dem Lieferanten warten mußt, bis er ausgeladen hat und während dessen fängt die Blechlawine hinter dir mit dem Hupkonzert an.

Krieg ist, wenn du am Arbeitsplatz seit über einem Jahrzehnt neben jemandem sitzt, den du nur oberflächlich kennst.

Krieg ist, wenn du im Alter von über 90 Jahren deine Immobilienbesitze verwaltest, keine Familie hast und mit deinen zwei großen Tresoren in einem kleinen Zimmer lebst.

Krieg ist, wenn du nach einem deutschen Länderspiel zusammen mit deiner schwarz-rot-gold angemalten Freundin in deinem khakifarbenen Jeep eine Runde in der Stadt drehst und sie einfach nur starr auf dem Beifahrersitz aufrecht dasteht mit Deutschlandfahne in der Hand ohne Musik, ohne Freudenrufe, ohne Kommentar.

Krieg ist, wenn ein Artikel in der Boulevardzeitung erscheint, in welchem Eltern die Symptome erläutert werden, an denen sie erkennen können, ob ihr Kind eine Neigung dazu haben könnte, ein Sprayer zu werden.

Krieg ist, wenn du in die falsche Richtung auf dem Fahhradweg fährst, ein Auto rückwärts aus der Einfahrt fahrend, dich anfährt, du auf den Boden stürzt, eine Schürfwunde an deinem Bein klafft und der Fahrer noch mit dem Handy telefonierend dich darauf hinweist, dass du selber schuld bist, wenn du dich nicht an Verkehrsregeln hälst.

Krieg ist, wenn du einen Förderantrag stellen willst und zu erahnen versuchst, was die Keywörter sein könnten, auf die die Entscheider positiv reagieren könnten.

Krieg ist, wenn du als Geflüchteter nach nicht enden scheinenden Strapazen, Todesgefahren trotzend in ein wohlhabendes europäisches Land wie Deutschland kommst und die Einwohner des Viertels, in dem du untergebracht bist völlig aggressiv und aufgebracht dich anschreien und du auf Nachfrage erfährst, dass sie die Polizisten, die zwischen euch stehen anflehen, sie vor dir zu schützen, weil sie felsenfest davon überzeugt sind, daß du ein potentieller gemeingefährlicher Verbrecher bist.

Krieg ist, wenn du als guter Sozialdemokrat Sarrazin bei einer Buchvorstellung im Literaturhaus zujubelst und Kritiker niederbrüllst und sie der Misachtung des Rechtes der freien Meinungsäusserung beschuldigst.

Krieg ist, wenn du als guter Sozialdemokrat bei einer Benefizveranstaltung Geld für die Unterstützung von Edward Snowden sammelst und gleichzeitig während einer spontanen Diskussion am Rande der Veranstaltung die These vertrittst, dass man selber Schuld ist, wenn man das Internet nutzt und persönliche Daten und informationen von staatlichen Organisationen ausgelesen werden.

Krieg ist, wenn du dein Konto immer noch bei einer Bank hast, die der Cash Group angehört.

Krieg ist, wenn du dir immer noch nicht im klaren bist, daß dieses Geld auf deinem Konto nicht an Materie indiziert ist, sondern nur aus digitalen Nullen und Einsen besteht.

Krieg ist, wenn du einem Job nachgehst, der dir viel Geld, aber keine Erfüllung und noch dazu schlechtes Gewissen einbringt, du es aber so argumentierst, daß, wenn du es nicht machen würdest, es ja jemand anders eh machen würde.

Krieg ist, wenn du dieses Thema jetzt beendest, weil das Ende des Artikels erreicht ist und nicht, weil dir nichts mehr dazu einfallen würde.

(Veröffentlicht im Gaudiblatt Nr. 19, Juli 2014, München: http://www.gaudiblatt.de/cms/alle-gaudiblaetter/19-krieg/)

Anfügung:
Dieser Artikel wurde noch vor dem Ausbruch des jüngsten Gaza-Krieges im Juli 2014 verfasst. Es geht in ihm auch nicht um den Krieg als gewalttätigen, bewaffneten Konflikt zwischen Nationalstaaten oder bewaffneten Gruppen, sondern um die tägliche Spiegelung einer kriegerischen Gesinnung im postmodernen neoliberalen Alltag in einer europäischen Metropolregion wie München.